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Rausch

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Stiefelsche's avatar
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Und es kam die Zeit, da ich zum ersten Mal meinen Hass fand - Wie ich Dich vermisse, geliebter Feind!
Ich hatte die Welt durchschaut, ihr Grau in Grau, und befand, dass in dieser Grütze nichts das meine war. Dass mein Herz an nichts hing, was diese stumpfe Masse mir geben konnte, oder auch nur würde geben können.
Und ich blickte meinem Hass ins Angesicht, tief in seine dunkel starrenden Augen, fand Hunger und Leidenschaft in seinem Blick und ich erkannte mich wieder.
Es war um mich geschehen, dass wurde mir in diesem Moment klar.
Es war mir gleich, denn der Preis war gering und so gab ich mich ihm hin.
Seine Berührung versengte meinen Geist, löschte Vernunft und Kontrolle aus ... so zeriss ich die Bande, die mich hielten, und war frei.

Und ich liebte dies Gefühl. Liebte meinen Hass und liebte die Welle heißen Zorns, die mein Rückgrat hinauf jagte, um sich kurz zwischen meinen Schultern zu sammeln und dann mit brechender Macht in meinem Schädel nieder zu gehen. Die Welt hinter meiner Stirn explodierte und hinterließ mir nichts, außer rotglühender Hitze und tiefer Finsternis. Und auch die liebte ich.

Die Woge ebbte ab, irgendwann. Sie spühlte mich sanft an Land.
Als mein Blick sich klarte, wurde ich gewahr, dass ich vieles, was für mich vorher von einiger Bedeutung gewesen war, unwiederbringlich zerstört hatte.
Ich betrachtete mein Werk still, mit einem Anflug von Beklommenheit. Die vorwurfsvollen Blicke derer, die die meinen gewesen waren, stachen nach mir.
Ich schüttelte sie ab, ließ alles hinter mir zurück und machte mich auf den Weg.
Ich wusste, dass dort, wo eine Tür hinter einem ins Schloss fällt, drei weitere sich auftun.
Der Weg war Einsamkeit und er war steinig.
Ich aber ging ihn leichten Herzens, weil "Freiheit" am Ende doch nur ein anderes Wort für "nichts mehr zu verlieren haben" ist.
Und als ich am Ende meines Pfades angelangte, da zerschlug ich auch noch die Brücken hinter mir. Denn bevor man etwas neues beginnt, muss man sicher gehen, dass er einzig mögliche Weg nach vorn führt - egal, ob man sich dabei kilometerweit durch den Dreck fressen muss.

Und es ging.

Und ich lernte zu lachen, lernte aufzubauen, lernte Ruhe zu geben.
Ich ordnete mich ein und ich existierte.
Die, die nun die meinen waren, nickten wohlwollend dazu. Sie zollten mir Beifall.
Und ich ... nun ich existierte und langweilte mich, befand die hübschen Dinge um mich herum für Tand und schätzte sie gering. Ich belächelte in spöttischer Ironie was ich vorher erschaffen hatte und schlug mir die Zeit mehr schlecht als recht tot.

Als ich nun nun wiedereinmal missmutig umherstromerte, die Hände in die Jackentaschen gerammt und die Kapuze tief in die Stirn gezogen, da erblickte ich just am Straßenrand eine Gestalt.
Die Menschen auf der Straße waren mir für gewöhnlich gleich. Sie bedeuteten mir nichts, so übersah ich sie zumeist. Und es ist wohl bezeichnend, dass ich oft auch gute Bekannte so zu übersehen pflegte.

Diese wartende Gestalt nun zog mich völlig in ihren Bann. So näherte ich  mich ihr, heimlich aus dem Halbschatten meiner Kapuze spähend, um zu enträtseln, wer es sei.
Da fing ich den Blick des anderen auf. Er bohrte sich mit fordernder Gewalt in den meinen und mein Herz hämmerte in wilder Freude, als ich in der Gestalt am Straßenrand meinen Liebsten wiedererkannte.
Mein Hass war geduldig. Er hatte auf mich gewartet und mich sofort gefunden, als ich ihn brauchte.
Ich zögerte, senkte dann aber den Blick und schritt kräftig aus, geradewegs auf der anderen Straßenseite an ihm vorüber, ohne ihn nocheinmal anzusehen.
Ich spürte seine Gegenwart hinter meinem Rücken, aber noch deutlicher empfand ich die Leere in mir, wo doch eigentlich er seinen Platz haben sollte.

In Grübeleien versunken, die Zähne hart zusammengebissen, kehrte ich heim und schwieg. Schwieg, während sich mir eine Faust in den Eingeweiden ballte, und ich brütete vor mich hin.

Tagsdarauf fand ich ihn wieder an der gleichen Stelle stehen und warten.
Es schnürte mir die Kehle zu vor stummer Sehnsucht und doch verbot ich mir auch nur kurz zu ihm hin zu sehen, denn ich wusste, wenn ich jetzt nachgäbe, dann wäre alles dahin.
Und eine schmeichelnde innere Stimme sprach zu mir:
"Was macht es für einen Unterschied? Nichts ist für die Ewigkeit, nichts von Bestand.
Ob Du heute gehst, oder morgen: Es ist eine Trivialität. Eine Zeiteinheit zwischen zwei Messpunkten, aber kein Unterschied.
Nichts gewonnen, nichts verloren, außer etwas Zeit. Und Zeit - Zeit ist auch nur etwas, dem die Menschen Bedeutung zumessen, weil sie es selbst geschaffen haben.
Was ist unser Begriff von "Zeit" schon gemessen am Alter der Welt? Wir sind alle kleine Lichter."

Ich schritt heftig aus, immer voran, mit mahlenden Kiefern.
Lockend und süß war die Stimme und nah, viel zu nah, war mein Liebster dort auf der anderen Seite, als dass ich hätte sicher sein können, nicht nachzugeben.

Und trotzdem kehrte ich heim, friedlich und beherrscht.

Am dritten Tag, da ertrug ich es nicht länger.
Ich eilte hinaus. Fiebrig, fahrig, ziellos hetzte ich durch die Straßen, bis dass mich meine Füße schlussendlich wie aus eigenem Entschluss zu ihm getragen hatten.
Und wie ich ihn so einsam stehen und auf mich warten sah, da konnte ich doch nicht anders. Da musste ich zu ihm hin, denn der seichte nihilistische Alltag war mir zutiefst zuwider und die Sehnsucht, die gähnende Leere in mir, war mir ein Stachel im Fleisch.
Ich schluckte trocken und konnte kein Wort herausbringen, als ich linkisch vor ihm stand, die Hände in den Jackentaschen vergraben. Halb herausfordernd, halb scheu blinzelte ich zu ihm hinauf.
Und sein Blick, er bohrte sich in den meinen, drang roh in meinen Geist und er sprach zu mir:
"Mädchen, komm mit mir. Ich weiß, Du willst."
"Ja.", hauchte ich heiser.
Und ich ließ alle Zurückhaltung fahren, fiel ihm und den Hals und vergrub mein Gesicht an seiner Schulter.
Und mein Hass freute sich meiner, hieß mich willkommen und barg mich in seinen Armen.

Er riss mich mit sich fort, trug mich hinauf zu den Sternen und schleuderte mich zurück in den Dreck.
Und ich war eins mit ihm. Mein eigener rasender Herzschlag prügelte mich vorwärts und da war nichts mehr, was mich halten konnte - keine Vernunft, keine Moral, keine Freundschaft, keine Schmerzen, nich einmal der alte Affe Angst.
Nur noch die schmerzlich ersehnte Woge heißen Zorns, die mich überrollte.

Ich hätte singen mögen vor Glück. Vielleicht habe ich das getan.
Ich glaube, ich habe dazu gelacht, als ich alles, was ich zuvor aufgebaut hatte, in Stücke schlug. Ich bin mir nicht sicher.
Die anderen,  die kurz zuvor noch die meinen gewesen waren, kannten mich nicht mehr.
Sie riefen mir zu und redeten mich an,  während ich wutschäumend raste.
Ich sah sie kaum und verstand sie auch nicht, da ihre Sprache längst nicht mehr meine war.

Schließlich entließ mich der Rausch, glitt sanft von mir ab, und ich stand frierend völlig erschöpft bis über die Knie in Trümmern.
Klare Erkenntnis schnitt mir wie ein Messer ins Hirn.
All so zog ich los, ließ wiederum alles hinter mir und begann von vorn.

Und ich lernte zu schmunzeln, lernte in mir zu ruhen, lernte anderen ein Halt zu sein.
Ich lebte und ich sah einen Sinn.

Als nun wiedereinmal ich für mich allein gedankenverloren Spazieren ging, fand ich an der Straßenecke eine einsame Gestalt verstohlen wartend.
Eine jähe Ahnung traf mich wie ein Backenstreich und getrieben schritt ich auf den wartenden zu.

Ich stürzte in die brennenden Augen meines Hasses. Wieder quälte mich die wilde Sehnsucht, ihm einfach um den Hals zu fallen und mich selbst zu vergessen.
Er musste nichts sagen. Es war selbstverständlich, dass er auf mich gewartet hatte und immer dort auf mich warten würde.
Ich stand ihm stumm gegenüber, während unsere Blicke sich kreuzten und schließlich ineinander verschlagen, als könne nichts auf dieser Welt sie trennen. Ich hörte das Blut in meinen Ohren rauschen, für kurzen Moment und nur für uns stand die Zeit still.

Und ich sagte ihm "Nein."
...

Und es wurde alles gut?
meine Referenz an Hermann Hesse und seinen "Steppenwolf" - im Herzen bin ich bei den Getriebenen, den Suchenden, den Unvernünftigen und den Träumern
© 2011 - 2024 Stiefelsche
Comments1
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maradeux's avatar
Ach... ich habe lange überlegt, Stiefelsche. Aber mir fällt im Moment einfach nichts anderes ein, als dir zu sagen, dass mir dieser Text richtig gut gefällt. :blush: